Mittwoch, 13. November 2013

Die unendliche Geschichte

 ...oder von einem, der auszog, seinen o2-Vertrag zu wechseln


Kennt ihr noch die alte OB-Werbung, in der es heißt "Die Geschichte der Menstruation ist eine Geschichte voller Missverständnisse"? Nun, nicht nur die Menstruation steckt voller Missverständnisse. Habt ihr schon mal versucht, euren bestehenden Vertrag bei o2 zu wechseln? Nein? Dann ein guter Rat: Tut das nicht! Ich wäre froh, hätte mir das jemand im Vorfeld geraten...



Es hat alles ganz harmlos angefangen, mit einer E-Mail an den Kundenservice, in dem ich freundlich darum gebeten habe, die Möglichkeit eines Kombivorteils (Mobilfunkvertrag + DSL) nutzen zu können. Beides hatte ich bereits seit geraumer Zeit, warum also nicht 10,- Euro im Monat sparen? Hier lauerte schon die erste Überraschung: Mein bestehender Vertrag war mit dem Kombivorteil nicht kompatibel, ich müsste diesen ändern. Gleiche Leistung, gleiche Bedingungen, gleicher Preis – nur ein anderer Name. Ein moderner, große Zukunft versprechender Name. Klang gleich viel beeindruckender. "Was für einen DSL-Vertrag hast du?" – "All-in!" Wow! Da fällt es einem doch gleich viel leichter zu wechseln. Geiler Name und 10,- Euro gespart. Ich fühlte mich wie ein König. Nur die Krone und das Zepter fehlten noch.

Kurz nach meiner schriftlichen Zustimmung erfolgte denn auch ein Anruf des Kundencenters, bei dem ich den Wechseln nochmals mündlich bestätigt hatte und alles in die Wege geleitet werden sollte. "In den nächsten Tagen schicken wir Ihnen alle Unterlagen und den Termin der Freischaltung durch." Super, das klappt ja alles einwandfrei! So viel sei schon jetzt verraten: Es war das letzte Mal, dass ich das dachte.

In den nächsten Tagen sollten noch weitere E-Mails folgen. Und das Schönste war, dass jede dieser E-Mails mit neuen Überraschungen verbunden war. Und alle Welt liebt doch Überraschungen. Ja, das tut sie wirklich. Vor allem, wenn sie in drei aufeinander folgenden Aussagen drei unterschiedliche Angaben zu der Vertragslaufzeit bekommt. Diese schwankte zwischen 6 und 24 Monaten. Jede neue Nachfrage, brachte eine neue Zahl hervor. Ich fühlte mich wieder in meine Schulzeit in den Matheunterricht zurückversetzt, als man wild irgendwelche Zahlen als Lösungen präsentierte, wenn man keine Ahnung hatte, wie der Lösungsweg funktioniert. Das Ergebnis: Keine dieser Zahlen hat gestimmt. Das Ergebnis heute ein ähnliches.

Wenige Tage später klingelte es an der Tür. Ein leicht zerstreuter DHL-Fahrer präsentierte mir ein Päckchen. Ich konnte mich zwar nicht daran erinnern, etwas bestellt zu haben, aber da es an mich adressiert war, nahm ich das dankend an. Auf dem Fuß die nächste Überraschung. Ja, wir lieben noch immer Überraschungen. Der Inhalt kam mir bekannt vor, war es doch ein Router, wie er bei mir bereits zu Hause stand und jahrelang ohne Ausfälle funktioniert hat. Also wieder E-Mail an o2: "Wozu die neue Hardware?" Die sei nötig, weil der Tarif jetzt umgestellt wird. Dafür bräuchte man einen neuen Router. "Warum?" Ist halt so. Ich muss es nicht verstehen. Ich vertraue mal denen, die das können (sollten).

"Gut", dachte ich mir, "bisher war war ich mit o2 ganz zufrieden, da soll das jetzt an den paar Monaten plus oder minus nicht scheitern. Und die neue Hardware kann ich auch installieren." Ich machte es mit bequem in meinem Wird-schon-werden-Modus, schloss den neuen Router an und wartete nun gebannt auf den Tag der Freischaltung. "Die Freischaltung erfolgt zwischen 8 und 16 Uhr. In dieser Zeit werden Sie nicht telefonieren können." Alles kein Problem, schließlich arbeite ich in dieser Zeit. Den Arbeitstag erfolgreich zu Ende gebracht, machte ich mich auf den Heimweg, in froher Erwartung des neuen Anschlusses. Zu Hause angekommen stellte ich fest, dass  – genau, die nächste Überraschung (wenn man hier überhaupt noch von Überraschungen sprechen kann) – es nicht funktionierte.

Beim Abnehmen des Telefonhörers säuselte mir eine attraktive Frauenstimme "Bitte geben Sie Ihre PIN ein" ins Ohr. PIN? Welche PIN? Bank? Kreditkarte? Handy? Geht nicht. Mehr PINs habe ich nicht. Alle E-Mails gecheckt – bei der Menge könnte man ja eine PIN übersehen haben. Nichts. Also folgte der Griff zum Handy und die Finger wählten die o2-Hotline. "Guten Abend, was kann ich für Sie tun?", fragte mich eine Stimme mit einem starken sächsischen Dialekt. "Heute sollte die Freischaltung erfolgen und ich kann weder telefonieren noch ins Internet." – "Aha. Warum?" – "Ich hatte gehofft, dass Sie mir das verraten würden." – "Also ich sehe hier gerade nichts." – "Und bei mir geht nichts. Mein Telefon verlangt nur die Eingabe einer PIN von mir." – "Dann geben Sie doch die PIN ein." – "Ich habe keine PIN." – "Warum haben Sie keine PIN?" – "Die Frage müsste ich doch wohl eher Ihnen stellen." – "Komisch, Sie hätten sie bekommen sollen." – "Hätte ich. Habe ich aber nicht." – "Okay, das werde ich notieren und es wird sich morgen jemand bei Ihnen melden." Der Erstkontakt war erfolgt, und noch war ich zuversichtlich.

Der nächste Tag verging, ohne dass ich etwas von meinem Anbieter gehört habe. Darum erste Amtshandlung am darauf folgenden Tag: Wieder die Hotline wählen. "Guten Morgen, was kann ich für Sie tun?" – "Ich habe Sie gestern vermisst!" – "Wie bitte?" – "Ich habe gestern sehnsüchtig auf einen Anruf von Ihnen gewartet, so wie mir vorgestern versprochen wurde. Das ist nicht geschehen." – "Oh, das tut mir leid, der Kollege hat wahrscheinlich vergessen zu sagen, dass es zwei Tage dauern kann." – "Ja, offensichtlich hat er das. Aber macht nichts, jetzt habe ich Sie ja erreicht. Mir fehlt noch immer eine PIN." – "Warum fehlt Ihnen die PIN?" – "Das hatten wir schon: Ich hoffe noch immer, das von Ihnen zu erfahren." – "Also bei mir ist keine PIN hinterlegt." – "So ein Zufall, bei mir auch nicht." – "Aber ich sehe hier gerade, dass eine Störung vorliegt." – "Was für eine Störung?" – "Eine Störung an der Leitung." – "Aber vor drei Tagen war noch alles in bester Ordnung." – "Ja, aber jetzt haben Sie eine neue Leitung." – "Aber ich bin doch immer noch bei o2?" – "Ja, aber die Leitung hat sich geändert und von der bekomme ich ein Störsignal." So ging das gefühlte Stunden. Ende des Gesprächs war, dass mir mal wieder versprochen wurde, sich zu melden.

Wieder zwei Tage später bekomme ich eine SMS: "Lieber Kunde, Ihre Störung wird unter der Nummer GEO......... bearbeitet. Wir setzen und zeitnah mit Ihnen in Verbindung." Dann bin ich ja beruhigt, dass die Störung vier Tage nach dem Erstkontakt endlich bearbeitet wird. Alles zeitnah versteht sich's. Weitere zwei Tage später klingelt das Handy – um 13.50 Uhr. "Guten Tag, hier o2." – "Hallo." – "Uns liegt hier eine Störung vor." – "So ein Zufall, mir auch." – "Sind Sie gerade zu Hause?" – "Sind Sie's?" – "Nein." – "Nun, wie Sie arbeite ich. Demnach bin ich auch nicht zu Hause." – "Das müssen Sie aber sein, damit wir eine Messung vornehmen können." – "Wollen Sie das vielleicht meinem Chef sagen?" Am Ende haben wir vereinbart, dass ich mich zeitnah über die Hotline melde, wenn ich wieder zu Hause bin.

Der Abend des selben Tages. Ich interpretiere zeitnah ein wenig anders. "Guten Abend, was kann ich für Sie tun?" – "Ich sollte mich melden, damit irgendeine Messung durchgeführt werden kann. Dies tue ich hiermit." – "Okay, dann lassen Sie uns mal messen" (...) "Die Messung sagt, dass es funktionieren müsste." – "Tut es aber nicht. Ich habe auch noch immer keine PIN." – "Warum haben sie keine PIN?" – "Ja, Herrgott, weil ich der leibhaftige Messias bin und hellsehen kann! Woher soll denn ich wissen, warum ich keine PIN von Ihnen bekomme?!" – "Also bei mir ist hier auch keine hinterlegt." – "Ja, das weiß ich bereits, habe ich schon vor vier Tagen von Ihrem Kollegen erfahren." – "Bei mir steht hier auch nichts, dass Sie keine PIN bekommen haben..." – "Warum bin ich jetzt nicht überrascht?" Nach etlichen Irrungen und Wirrungen und weiteren Versprechungen der zeitnahen Kontaktaufnahme wurde ich mit den Worten verabschiedet: "Wir führen aktuell eine E-Mail-Umfrage über Kundenzufriedenheit durch, würden Sie..." Den Rest habe ich vor lauter Lachen nicht mehr verstanden...

An dieser Stelle die Preisfrage: Wann erfolgte der nächste Zeitnahe Kontakt? Richtig. Zwei Tage später. Diesmal vormittags, per SMS: "Lieber Kunde! An Ihrer leeren Telefondose ist eine Messung nötig. Bitte rufen Sie und von vor Ort vom Handy unter xxx an. Ihr o2 Team" Überflüssig zu erwähnen, dass ich vor zwei Tagen eine SMS mit exakt dem gleichen Wortlaut bekommen habe. Ausgang des Sich-Meldens, siehe oben. Die Überraschungen halten sich inzwischen in Grenzen. Auch Bill Murray war irgendwann nicht mehr überrascht, dass er jeden Tag den "Tag des Murmeltiers" feiern musste. Nur hatte er einen Nachteil, bei ihm geschah das jeden Tag. Ich habe wenigstens zwei Tage Zeit, bis sich die Schleife wiederholt. Doch die Hoffnung stirbt zuletzt, schließlich war auch das Murmeltier irgendwann Geschichte...

Donnerstag, 7. November 2013

Erfolg ohne Durchbruch

Sie sind einer der, wenn nicht der größte Rock-Export Stuttgarts. Sie füllen deutschlandweit die Konzertsäle und doch blieb ihnen bislang der große Durchbruch verwehrt. Ein Grund dafür mag ihre Musik, die sich in keine Schublade stecken lässt, sein – das stellen sie aktuell wieder mit ihrem neuen Longplayer »The Painstream« unter Beweis. Ein anderer, dass dieser Durchbruch die Band einfach nicht interessiert. »end of green« haben schon immer nur das gemacht, was sie wollten.
Foto: Steffen Schmid


Sie sind ein Phänomen. Längst auf den gro­ßen Festivals zu Hause, sucht man die Stuttgarter Rockband »end of green« vergeblich in der breiten Öffentlichkeit. Der große Durchbruch blieb ihnen – so scheint es – bisher verwehrt, obwohl das aktuelle Album »The Painstream« auf Platz 13 in Deutschland chartete. Doch großes Bedauern klingt anders, wenn Michael Setzer, Gitarrist der Band, sagt, der große Durchbruch »geht mir am Arsch vorbei«. Sie haben als Band so viele Freiheiten, dass sie von vielen darum beneidet werden. Sie sind unabhängig, sie spielen, weil sie spielen wollen, nicht weil sie spielen müssen. Den Mantel der öffentlichen Wahrnehmung, dass sie ihr Potenzial nicht ausschöpfen, können sie dennoch nie ganz ablegen. »Vor Kurzem erst habe ich mich nach einem unserer Gigs mit einem Fan unterhalten, der ständig davon geredet hat, dass aus uns eigentlich hätte etwas ganz Großes werden können«, sagt Setzer. »Am Ende klang das schon so, als würde ich in irgendeiner kleinen Kaff-Band spielen.« Das sind »end of green« beileibe nicht. 

Melodische Melancholie

Der Stuttgarter Fünfer, bestehend aus Michael Huber, Kirk Kerker, Michael Setzer, Matthias Siffermann und Rainer Hampel, ist auf den Konzertbühnen in ganz Deutschland zu Hause. Sie können sich auf eine treue und ständig wachsende Fangemeinde verlassen. Die bisherigen Gigs ihrer Tour, die am 16. November in Stuttgart ihrem finalen Höhepunkt zusteuert, machen Lust auf mehr. Das wissen nicht nur ihre deutschen Fans. Die »end of green«-Gemeinde ist internationaler, als man auf den ersten Blick glauben mag. In Spanien wurde kürzlich ein Fanclub gegründet, für Stuttgart haben sich Fans aus Russland und Kanada angekündigt. Sie alle hat die melodische Seite der Melancholie und Düsternis, die die Band in ihren Songs zu Gehör bringt, gefangen und nicht mehr losgelassen. Dabei bewegt sich der Fünfer musikalisch stilsicher abseits aller Genres. Ist es Metal, Rock, Gothic oder Indie? Die Antwort liegt wohl irgendwo dazwischen. Und es würde der Band nicht gerecht werden, würde man sie auf einen Sound reduzieren. Davon zeugt alleine schon der aktuelle Longplayer. Auf »The Painstream« tummeln sich melodie­schwangere Balladen ebenso wie knackige Rockbretter, radiotaugliche Nummern wie mainstreamferne Songs. Schnell wird klar, da macht eine Band das, was sie will, und lässt sich nicht so leicht verbiegen.

Unpopuläre Entscheidungen

Die Treue zu sich selbst ist vielleicht auch das Charakteristischste, was diese Band seit über 20 Jahren auszeichnet. Sie haben nie wie unzählige Bands vor ihnen alles auf eine Karte gesetzt, haben sich nie von dem Haifischbecken der Musikindustrie schlucken lassen. An Angeboten großer Major-Labels mangelte es nicht. Doch die einen wollten, dass sie auf Deutsch singen, die anderen, dass sie mit externen Songschreibern arbeiten. »Aber man lernt auch nicht eine blonde Frau kennen und sagt ihr dann, sie solle sich die Haare schwarz färben und die Brüste vergrößern lassen«, sagt Setzer. Heute sind sie beim österreichischen Label Napalm Records unter Vertrag und glücklich. »Unpopuläre Entscheidungen« habe man früher treffen müssen. Der eigenen Karriere war das im ersten Moment vielleicht nicht zuträglich, dem eigenen Selbstbewusstsein umso mehr. Und daraus resultiert wiederum der heutige Erfolg der Band. Lieber langsam und kontinuierlich wachsen, statt mit einem Hype hochgepusht zu werden, um dann umso tiefer zu fallen. Beispiele dafür gibt es in der Musikwelt zuhauf. Genauso wie die, denen der Erfolg und das Rock‘n‘Roll-Leben schnell zu Kopf gestiegen ist.

Verantwortung Fans gegenüber

»Sex, Drugs & Rock‘n‘Roll« – sicher, auch die fünf Stuttgarter hatten in der Vergangenheit ihre wilde Zeiten im Tourbus. Und doch rückt Setzer die Verhältnisse zurecht: »Bei uns kam zuerst immer der Rock‘n‘Roll, dann der ganze andere Kram.« Denn bei all den Eskapaden, die einer Rockband auf Tour nachgesagt werden, das Wichtigste für »end of green« war und ist noch immer ein perfekter Gig. Das sei eine Verpflichtung den Fans gegenüber. Daran wird sich auch nie etwas ändern, Durchbruch hin oder her.



Konzertdaten:
end of green
Sa. 16. November, 20 Uhr, LKA Longhorn, Stuttgart
www.endofgreen.de