Dienstag, 19. März 2013

Quo vadis, Friedrichsbau?

Noch begeistert die aktuelle Bühnenshow "Metropolitan" die Fans großer Varieté-Kunst. Doch es sind längst entscheidende Tage für das Stuttgarter Friedrichsbau Varieté angebrochen. Nach dem angekündigten Rückzug des Hauptsponsors, der landeseigenen L-Bank, steht das traditionsreiche Theater vor einer ungewissen Zukunft. Denn lediglich bis zum Ende des laufenden Jahres ist der Spielbetrieb gesichert. Was dann kommt, das wird sich schon in sehr naher Zukunft weisen müssen. Ein Sponsoren-Defizit von 750.000 Euro muss ausgeglichen werden. Sonst droht das Aus.

Es ging wie ein mittelgroßes Erdbeben durch die Stuttgarter Kulturlandschaft: Das Friedrichsbau Varieté steht vor dem Aus! Aus heutiger Sicht muss man sagen »stand«, zumindest vorerst. Denn zumindest bis zum Ende des Jahres muss die Landeshauptstadt nicht auf seine Akrobaten, Musiker, Zauberer und Artisten verzichten.
Dem allem liegt zugrunde, dass der Hauptsponsor des Friedrichsbaus, die L-Bank, sein Engagement beendet. Ursprünglich sollte das früher als zum 31. Dezember 2013 geschehen, nach Verhandlungen hat man sich auf einen Kompromiss zum Jahresende geeinigt. Doch jetzt beginnt erst die Arbeit für Geschäftsführerin Gabriele Frenzel und ihr Team. Denn es gilt, die fehlende Summe von 750.000 Euro auszugleichen. Genauso viel Geld würde nach dem Rückzug der L-Bank in der Kasse des Varietés fehlen. Und die Zeit drängt. Zwar ist bis Ende des Jahres der Betrieb gesichert. Die Kündigungsfrist für den Pachtvertrag ist aber der 30. Juni. Bis dahin sollte das Gros dieser Summe fix sein. »Wir machen zwar alles mit Bedacht«, sagt die Geschäftsführerin. »Aber wir müssen Gas geben.«
Bei der Sponsorensuche möchten die Verantwortlichen möglichst viele Unterstützer ins Boot holen. Die aktuelle Situation mit nur einem großen Geldgeber nennt die Pressesprecherin Mascha Hülsewig im Hinblick auf die Zukunft »fatal«. Die Last solle auf möglichst viele Schultern verteilt werden, damit man bei einem Ausstieg eines Sponsors flexibler reagieren kann.
Auf Hilfe seitens der Stadt kann das Friedrichsbau nicht hoffen. Als Wirtschaftsunternehmen ist das Varieté nicht förderungswürdig. Wenngleich Frenzel und ihr Team auf große Unterstützung seitens der Politik bauen kann. »Alle kulturpolitischen Sprecher im Gemeinderat unterstützen uns«, versichert Frenzel. Auch seitens der Künstler spüren die Friedrichsbau-Verantwortlichen eine hohe Welle der Solidarität. »Es ist eine der wichtigsten kulturellen Einrichtungen und gehört zu Stuttgart wie der Fernsehturm oder das Brezelkörble«, so Zauberküstler und Comedian Topas. Breite Unterstützung gibt es auch von anderen Kulturschaffenden der Stadt. Doch guter Rat ist teuer. Auch Peter Schwenkow, Besitzer des Varietés und Vorstandsvorsitzender der Deutschen Entertainment AG hat bereits signalisiert, das Theater finanziell nicht zu bezuschussen.
Zusätzlich schwingt noch die GEMA-Problematik wie ein Damoklesschwert über der Zukunft des Friedrichsbaus. »Für 2013 bleibt erst mal alles so, wie es war«, sagt Frenzel. »Und ich bin auch zuversichtlich, dass es für 2014 auch klappt.« Sollte die GEMA ihre Forderung durchsetzen – das muss Frenzel einräumen –, »können wir gleich zumachen«.
Das große Problem des Stuttgarter Varietés im Vergleich zu anderen Städten ist, dass es im Friedrichsbau keine Gastronomie gibt. »Hätten wir ein Restaurant«, ist sich Frenzel sicher, »würde die Sachlage heute ganz anders aussehen.« So gesehen war das Konzept des Theaters seit seinen Anfängen 1993 nicht profitabel. Man kann von Glück reden, dass die L-Bank so lange bei der Stange geblieben ist. Die Not, von Unterstützern abhängig zu sein, ist jedoch kein Alleinstellungsmerkmal des Friedrichsbaus. »Ich kennen kein Theater, das nur mit seinen Einnahmen überlebt«, sagt die Pressesprecherin. Vor allem auf so hohem künstlerischem Niveau, das sich in Stuttgart über Jahre etabliert hat. Rund 80 Prozent der Kosten einer Eintrittskarte sind Produktionskosten wie beispielsweise Künstlergagen, Unterbringung und Bühnenbild. Und dann müssen am Friedrichsbau je nach Produktion und Saison bis zu 80 Mitarbeiter, 35 davon Festangestellte, bezahlt werden. Ein Theater muss unterstützt werden. Es wäre in einer Stadt wie Stuttgart, mit all seiner Wirtschaftskraft, wahrlich eine Schande, wenn ein Traditionshaus wie das Friedrichsbau Varieté wegen einer Summe von 750.000 Euro schließen müsste. In anderen Branchen lächelt man mitunter nur müde über solche Summen.

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