Montag, 18. März 2013

Torben Wendt und sein "Diorama"

Foto by Silke Jochum
»Diorama« ist ein Phänomen. Während das Electro Pop-Projekt des Reutlinger Torben Wendt in seiner Heimat durchaus bekannter sein könnte, feiert es in anderen Ländern der Welt große Erfolge. Ich sprach mit dem Gründer der Band über die Gründe seines Erfolgs im Ausland, das Typische an seinen deutschen Fans und natürlich über das neue Album der Gruppe »Even the Devil Doesn‘t Care«.

Gerade ist das neue Album von »Diorama«, »Even the Devil Doesn‘t Care«, erschienen. Auch wenn‘s den Teufel nicht interessiert, welche Themen beschäftigen dich als Musiker?
Der Ansatzpunkt für den Titel ist die englische Redewendung »devil may care«, was so viel wie »Nach mir die Sintflut« bedeutet. Das ist in meinen Augen die vorherrschende Lebensattitüde von uns allen, ob freiwillig oder nicht. Dieses Thema, verbunden mit der wachsenden Schnelllebigkeit, der wachsenden Beliebigkeit, der Gleichgültigkeit und sozialen Kälte, hat mich in den vergangenen Jahren sehr beschäftigt. Ich habe versucht, und hoffentlich ist es mir auch gelungen, dies in einer Formulierung auf den Punkt zu bringen. Dafür habe ich eben diese englische Redewendung weitergedreht und sage: »Ne, noch nicht mal der Teufel...«
 
Die Veröffentlichung war erst Ende Januar, also ist noch alles relativ frisch. Das Kribbeln, das so ein Release mit sich bringt, ist demnach wohl noch da?
Absolut. Ich muss auch sagen, dass ich bei diesem Release die CD auch selber noch hören kann, was nicht immer so ist. Manchmal brauche ich eine Pause, wenn das Album auf dem Markt ist, dann will ich zwei Wochen gar nichts davon hören. Dieses Album lege ich immer noch gerne in den Player. Und die Reaktionen, die wir auf das Album bekommen, sind phänomenal. In der Masse gab es das in der Bandgeschichte noch nie. Darum ist auch das Kribbeln noch groß.
 
Wie wichtig ist es für dich, dich auf einem neuen Album – es ist immerhin das achte – nicht zu wiederholen, sondern neue Wege zu gehen?
Eigentlich sehr wichtig.
 
Verprellt man damit aber nicht seine treuen Fans?
Das ist eine berechtigte Befürchtung und ich glaube, das hat in unserer Anfangsphase sicherlich zu Problemen geführt. Mittlerweile ist das ein Trademark von Diorama geworden. Menschen, die uns hören, wissen, dass sie nicht mit einer Erwartungshaltung an uns herantreten dürfen, sondern uns mit einer gewissen Offenheit entgegentreten müssen. Sonst werden sie nicht zufriedengestellt.
 
Deine Songs sind vorwiegend in englischer Sprache, ab und an taucht auch einer auf Deutsch auf. Wann entscheidest du dich beim Songwriting für deine Muttersprache?
Grundsätzlich ist es so, dass ich das Songwriting nicht bewusst steuere. Ich setze mich nicht hin und nehme mir vor, ein Lied auf meinetwegen Dänisch zu schreiben. Ich bin im Studio, bin unterwegs und schaue mir die Welt an, und dann kommt mir eine Zeile oder ein Refrain in den Kopf. Ich kann die Sprache, in der dies passiert, nur zu einem gewissen Teil beeinflussen. Leider ist es so, dass deutsche Texte sich dabei nicht so durchsetzen können. Ich hätte zwar nichts dagegen. Aber die meisten Ideen kamen in englischer Sprache.
 
Welche Sprachen sprichst du?
Spanisch, Französisch und eben Englisch und Deutsch. Ach, und noch Schwäbisch, die Sprache kann ich ziemlich gut (lacht).
 
In Spanisch oder Französisch gibt es aber noch keine Diorama-Songs?
Ich hatte immer wieder diese Idee. Mich hat es oft in den Fingern gejuckt, das Songwriting in diese Richtung zu steuern. Aber das will ich nicht mit der Brechstange erzielen, nur um das mal gemacht zu haben. Wenn sich das ergibt – sehr gerne.
 
Du hast schon viel von der Welt gesehen. Gibt es noch einen Flecken, wo du unbedingt hinwillst?
Mich würde sehr eine Nord-Amerika-Tour reizen. In den USA zu spielen, ist auf jeden Fall ein Traum von mir. Die Schwierigkeit ist die Kostenfrage. Bei so einer großen Bandproduktion wie wir es sind, wenn man dann noch die Crew dazurechnet, wird es schwer, die Kosten auf einen Veranstalter umzuwälzen. Vielleicht ja mit einer abgespeckten Version. Außerdem finde ich Japan interessant, Korea. Wir haben auf der Welt unsere Schwerpunkte, wo wir viel Anerkennung erfahren und bekannter sind als in Deutschland. Das sind zum Beispiel Serbien, Griechenland oder Russland. Aber darauf wollen wir uns nicht ausruhen. Die Welt ist groß, es gibt noch viel zu entdecken.
 
Sind die Reaktionen auf die Musik von Land zu Land unterschiedlich?
Das kann man so sagen. Generell gibt es natürlich mentale Unterschiede und auch im Verhalten der Fans auf den Konzerten. Es gibt zum Beispiel einen großen Unterschied zwischen der Schweiz und Russland. Während es in der Schweiz etwas reservierter zugeht, ist in Russland alles enthusiastischer. Ansonsten gibt es unterschiedliche Färbungen, welche Musiktrends in welchem Land populär sind. Russland zum Beispiel ist sehr Synthie-Pop-lastig, das kommt uns entgegen. Bei uns in Deutschland wird diese Art von Musik dagegen so gut wie gar nicht präsentiert. Darum ist unsere Popularität hier auch nicht so ausgeprägt.
 
Was ist das Typische an euren deutschen Fans, die sie von anderen Fans auf dem Globus unterscheidet?
Zunächst gibt es ein große Solidarität und eine große Bereitwilligkeit zur Unterstützung. Wenn wir uns eine Aktion für die Fans einfallen lassen, dann ist immer eine sehr hohe Beteiligungsquote da. Unsere deutschen Fans zeichnen sich durch eine starke Bindung und durch eine starke Treue aus – und das seit Jahren. Vor dem Hintergrund, dass wir es unseren Fans nicht immer einfach gemacht haben, ist es etwas ganz Spezielles. Außerdem ist das eine Fangruppe, die sich intensiv mit den Texten beschäftigt und mit den Aussagen auseinandersetzt. Die deutschen Fans kommen nicht einfach nur zum Tanzen, sie wollen auch die Gedanken verstehen, die hinter den Songs stecken.
 
Du hast »Diorama« bereits 1996 gegründet, gibst überall auf der Welt Konzerte und doch findet »Diorama« in der öffentlichen Wahrnehmung kaum statt. Ist das ein von dir bewusst gewählter Weg?
In Deutschland muss man regionale Unterschiede machen. Es gibt Gegenden, in denen wir bekannter sind. Das trifft auf meine Heimatstadt Reutlingen oder auch die Region Stuttgart eher weniger zu. Aber ich beabsichtige das nicht, um mich zurückzuziehen und ein Refugium zu etablieren. Dafür gibt es zwei Gründe. Auf der einen Seite ist unsere Art von Musik hier in der Region nur wenig bis gar nicht repräsentiert. Es gibt hier relativ wenig Ahnung davon, was in dem Musikgenre weltweit passiert und welche Bands eine Rolle spielen. Das merkt man unter anderem auch daran, dass wenn über Konzerte berichtet wird, dann schreiben das Menschen, die in der Vergangenheit so gut wie keine Berührungen mit dieser Musik hatten und darum etwas fremdeln. Auf der andere Seite liegt es auch sicherlich daran, dass wir uns an regionalen Aktionen wie Band-Nacht XY oder lange Nacht der Kneipen bisher nicht beteiligt haben. Es hat irgendwo der Antrieb gefehlt. Das sind Plattformen, auf denen Bands zum regionalen Bekanntheitsgrad gelangen. Von daher sind wir vielleicht sogar auch selber schuld.
 
Dennoch ist es für die meisten Künstler etwas Besonderes, in der Heimatstadt zu spielen. Freust du dich auf euer Konzert im franz.K? (Anmerkung von mir: Das Konzert war bereits am 9. März)
Ich freue mich sehr. Es ist mittlerweile das fünfte oder sechste Mal, dass wir im Nepomuk oder im franz.K spielen und es war jedes Mal der Knaller. Toll ist, dass das Publikum sehr gemischt ist. Es sind viele Reutlinger da, viele, die einfach mal reinschnuppern möchten und uns noch nicht wirklich kennen. Und vor allem pilgern dann Menschen aus allen Ländern nach Reutlingen, um uns zu sehen. Beim letzten Konzert waren Fans aus Mexiko da. Dieses Mal wissen wir schon, dass Menschen aus Russland und Polen kommen. Wahrscheinlich bekommen wir auch Besuch aus Serbien und Spanien. Diese Menschen nehmen wirklich weite Wege auf sich, um nach Reutlingen zu kommen. Nicht nach Berlin, nicht nach Hamburg. Das wird für einen kurzen Moment zu einem internationalen Kulturereignis. Das ist faszinierend.

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