Dienstag, 26. März 2013

Was ist eigentlich "Functional Fitness"???

Die Fitness-Welt treibt immer neue Blüten hervor. Seit einigen Jahren geistert der Begriff »Functional Fitness« durch die Studios. Doch was sich genau dahinter verbirgt, wissen viele nicht. Um das herauszufinden, habe ich mich in ein Trainingscenter begeben und habe einige der typischen Übungen am eigenen Körper ausprobieren dürfen – nicht ohne Folgen...

Hier zieht es, dort brennt es, jede Bewegung tut weh. Was ist mit mir am Vortag bloß geschehen? Autounfall? Zwanzig Mal hintereinander über die Bundeswehr-Hindernis-Bahn? Nein, die Antwort ist viel harmloser – jedenfalls auf den ersten Blick: »Functional Fitness«. Dabei ist es ein relativ schwammiger Begriff. Es gibt keine feste Definition darüber, was zu »Functional Fitness« gehört, und jeder Trainer hat seine eigenen Methoden. Ich bin zu Besuch im Stuttgarter Sportcodex Trainigscenter, deren Macher Zied Lakhdar, Torsten Schmeckenbecher und Robin Müller-Schober, allesamt langjährige Fitness- und Personaltrainer, bieten unter anderem das Sommerprogramm »Sport im Park« an. Letzterer ist es, der mich in das Geheimnis des »Functional Fitness« einführen darf.
»Wir verfolgen mit Functional Fitness folgenden Ansatz«, beginnt er. »Sport an sich und der menschliche Alltag haben alle mit Bewegung zu tun. Und es gibt keine Alltagssituationen, in denen man beispielsweise auf irgend­etwas sitzt und etwas zu sich herzieht oder wegdrückt.« Diese Art von Übungen kennt man von Fitnessstudios. Beim Functional Fitness verfolgt man das Ziel, nicht einzelne Muskelpartien zu fördern, sondern den kompletten Körper zu stabilisieren. »Die richtigen Muskeln müssen im richtigen Moment greifen.« Es geht um Stabilisation, Beweglichkeit und Koordination. So sind auch die Trainingseinheiten systematisch aufgebaut. Los geht es mit dem Aufwärmen.
»Wir messen dem Warm-up eine sehr hohe Wertigkeit bei«, sagt Müller-Schober. Was das bedeutet, darf ich gleich am eigenen Körper erfahren. Ich bekomme eine Rolle aus festem Schaumstoff, nehme auf dem Boden Platz, den Unterschenkel auf die Rolle gelegt. »Und jetzt rollst du mal deinen Unter, dann den Oberschenkel darauf hin und zurück«, kommt die erste Anweisung. Das erste Gefühl ist fremd, und doch irgendwie vertraut. Denn damit passiert nichts anderes mit dem Muskel als bei einer Massage: Er wird »glattgebügelt«. Und tatsächlich spüre ich eine leichte Un­ebenheit in meiner Muskulatur, die nach einigen Malen verschwindet. Das wiederhole ich anschließend mit dem anderen Bein und liege schließlich mit dem Rücken auf der Rolle und rolle mich hin und zurück – eine erstaunlich simple und einfache Art und Weise, sich selber zu massieren. So, die Muskeln müssen jetzt langsam glatt genug sein, Zeit fürs Sportliche.
Koordination heißt dann auch das erste Übungsziel. Vor mir liegt die sogenannte Koordinationsleiter. »Schon mal gesehen?« – »Klar.« Aber nur im Fernsehen oder vom Spielfeldrand beim VfB-Training. Die erste Übung bekomme ich auch sogleich vorgemacht. Drei Schritte in jedes Feld und dann von Feld zu Feld immer weiter. »Sieht leicht aus«, denke ich – noch. Dann darf ich ran. Eins, zwei, drei, weiter. Ein, zwei, drei, weiter. Eins, zwei, drei, vier… Halt! Ist doch nicht so leicht, wie es aussieht. Ohne Konzentration geht da nichts.
In Zirkelform warten andere Übungen darauf, erforscht zu werden. Dabei geht es immer auf Zeit: 40 Sekunden Power, 20 Sekunden Pause. Bei einer dieser Übungen stehen schwere Medizinbälle im Mittelpunkt. Felix Magath lässt grüßen. Diese werfe ich mit voller Kraft gegen die Wand und fange sie wieder auf. Immer und immer wieder. Was bei den ersten drei Mal noch nach großem Spaß aussieht, entpuppt sich schnell als knallhartes Training. Und das nicht nur für die Arme. Der Körper soll dabei möglichst stabil in leichter Hockstellung stehen. Alle Muskeln sind angespannt, um dem zurückprallenden Ball genug Widerstand zu bieten. Die nächsten 40 Sekunden sind rum, Zeit die Station zu wechseln.
Es geht weiter zum kraftraubenden Rope-Workout. Dabei ragen zwei Seile aus der Wand, ich bekomme jeweils ein Ende in die Hände und darf sie jetzt in Schwung bringen. Klingt amüsant, sieht lustig aus, ist mit der Zeit aber die Hölle. »Stärker! Höher!«, höre ich die Motivationsrufe. Würde ich ja gerne. Die Arme wollen aber nicht so, wie ich will.
Auch wenn sich diese Form von Fitness wohl eher an die Menschen richtet, zu deren Sportbetätigungen mehr gehört, als mit der Fernbedienung zwischen Eurosport und Sport1 zu zappen, so ist Functional Fitness doch auch für Anfänger eine wunderbare Möglichkeit, um in ein sportliches Leben einzusteigen. Denn es sind genau diese Anfänger, die bei dieser Art von Training sehr schnell sehr viel mitnehmen und auch in relativ kurzer Zeit große Fortschritte erzielen. »Das Training ist für Anfänger wunderbar geeignet, bedarf aber einer intensiven Betreuung und Beobachtung.«
Diese habe ich und darf auch gleich eines der Lieblingsgeräte des Fitnessprofis kennenlernen: TRX. Von der Decke hängen zwei Seile mit Schlaufen an deren Enden und im Großen und Ganzen war‘s das. Es ist sicherlich eines der simpelsten Sportgeräte, die ich bislang gesehen habe. Und genau deswegen bin ich schwer beeindruckt. Man braucht keine Gewichte, keine komplizierten Programme eingeben. Alles, was man braucht, ist das Gewicht des eigenen Körpers. Mit den Händen in den Schlingen lasse ich mich hängen. »So, jetzt Körper geradehalten, Beine nach vorne – je weiter, desto schwieriger –, und dann versuche dich mit den Armen hochzuziehen«, sagt Müller-Schober. Leichter gesagt als getan, spätestens jetzt verfluche ich die Weihnachtsgans. Und das ist nur eine von zahlreichen Übungen, die mit TRX möglich sind. Als ich einige weitere hinter mich bringe, bin ich danach ziemlich ausgepowert. Ich kann nicht sagen, ob es die Beine sind, die mehr Arbeit geleistet haben, die Arme, die Bauchmuskeln oder der Rücken. Ich spüre einfach alles, und weiß, dass ich spätestens morgen den Beweis dafür in Form von Muskelkater bekommen werde.
Mein Fazit nach der Probestunde: So stelle ich mir Training vor. Blicke ich zurück, kann ich nicht sagen, welchen Muskel ich am wenigsten benutzt habe. Und das in relativ kurzer Zeit. In der Regel dauert eine Trainingseinheit 60 Minuten. Diese Stunde reicht aber auch, um sowohl das Herz-Kreislauf-System als auch den Muskelaufbau sowie die Koordination des Körpers zu stärken. Mit Functional Fitness wird man nicht zum Muskelberg, so viel sollte jedem klar sein. Man wird aber athletischer, fitter, schlanker und stärker. »Ich behaupte, wenn man zehn Einheiten regelmäßig durchzieht, wird man den Unterschied merken, optisch und im eigenen Wohlbefinden«, verspricht mir Müller-Schober und freut sich wohl insgeheim darauf, mich bald weiterzuquälen. Ich aber »genieße«
erstmal den Muskelkater.

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